Mein Henry
Auf unserer ersten Ausstellung im November 1983 lernten wir
2 Herren kennen, die hatten die schönsten Yorkshire Terrier, die ich bis
dahin gesehen hatte. Sie sagen aus wie auf einer Postkarte.
Da diese beiden Herren auch noch sehr hilfsbereit waren zu uns Anfängern,
freundeten wir uns ein wenig an. In den drei Jahren, die folgten, lernte ich
fat alle Hunde aus der Zucht kennen und stellte fest, dass alle sehr schön
waren und die beiden Herren nicht nur mit sehr viel Liebe, sondern auch mit
Überlegung und Sorgfalt züchteten. Da ich zwischenzeitlich beschlossen
hatte, auch zu züchten, bestellte ich mir zu meiner Hündin, die ich
besaß, einen schönen Rüden.
Als hier in der Nähe eine Schau war, brachten sie mir einen vier Monate
alten Rüden mit. Als ich ihn sah, war ich erst sehr enttäuscht. Die
Ohren hingen schwer - wie bei einem Dackel - rechts und links am Köpfchen
herunter. Der dicke Körper saß auf viel zu kurzen stämmigen
Beinen. Das Haar war wollig und dicht.
Aber ich liebte ihn vom ersten Augenblick an und er mich auch. Er zeigte es
mir immer wieder. Wenn er auf meinem Arm war, durfte mich keiner anfassen, nicht
einmal mein Mann. Als ich ihn mit sechs Monaten das erste Mal ausstellte wog
er schon 2 kg. Den Kampf mit den Ohren hatten wir gewonnen, sie standen. In
den nächsten Monaten verwandelte sich das wollige schwarze Babyhaar in
herrliche stahlblaue Seide. Zähne bekam er wie ein Schäferhund. Sein
Körper wurde trocken wie es sich für einen Rüden gehört.
Da er auf den Ausstellungen auch noch gerne im Ring ging, lief er nur erste
Plätze.
Ich hatte oft das Gefühl, er war gerne schön. Wenn wir zu einer Ausstellung
wollten und ich ihn vorher badete, hob er sein schönes langes Haar mit
dem Beinchen hoch, wenn er Pipi musste. Mit 10 Monaten sollte er das erste Mal
seine Männlichkeit beweisen. Der Hauptzuchtwart unseres Vereins schickte
uns eine junge Yorkie-Dame. Ich wusste es damals nicht besser. Nach einigen
Stunden Mühe klappte es dann auch und besagte Yorkie-Dame bekam acht Wochen
später vier schöne Welpen.
Nach einer gewissen Anlaufzeit, die ein junger Rüde ja wohl braucht, deckte
er wie die Feuerwehr. Ja, aber nur wenn ihm die Hündin gefiel und wenn
es der richtige Tag war. Vom 11. bis 13. Tag hielt er nicht viel. Wenn er das
Gefühl hatte, die Hündin ist nicht so weit, half auch kein gutes Zureden.
Er schniefte einmal laut, kam zu mir auf das Sofa und knallte sich an meinen
Schenkel. Einmal kamen junge Leute schon das sechste Mal, vom 10. Tag an alle
2 Tage. Henry zeigte kein Interesse. Am 22. Tag waren sie noch nicht ganz in
der Wohnung, da wurde Henry unruhig. Es dauerte auch nicht lange und er saß
fest. Auch diese Hündin warf acht Wochen später.
Nie vergesse ich einen Vorfall: Da kam eine Frau von weit her mit ihrer Hündin.
Als ich diese sah, bekam ich einen Schrecken. Sie hatte fast die Größe
eines Bassets. Auch so sah sie nur entfernt einem Yorkie ähnlich. Aber
sie bekam nach Aussagen der Besitzerin jedes Mal acht Welpen. Diese fiel von
einem Entzücken ins andere, als sie meinen Henry sah. Genau so hätte
sie sich den Vater ihrer Welpen vorgestellt.
Henry schnupperte nur einmal an der Hündin, ich hatte ihm provisorisch
einen Tritt gebaut, damit er überhaupt dran kam. Er gab nur seinen bekannten
Schniefer von sich, dann war er nicht mal mehr zu bewegen, auf den Tritt zu
steigen.
Von Henry blieb nie eine Hündin leer und er vererbte sein herrliches Haar
und seine starken Zähne. Ich habe nie bereut, ihn gekauft zu haben.
Im Januar 1995 wurde er neun Jahre alt. Kurz darauf fing er
an, zu kränkeln. Er magerte ab und zog sich zusammen, als ob er Krämpfe
hätte. Ich pflegte ihn wie ein geliebtes Kind. Der Tierarzt meinte, er
habe einen Schlaganfall gehabt und gab mir mehrere Medikamente. Danach wurde
es noch schlimmer. Er fraß nicht mehr und konnte sich auch nicht mehr
entleeren. Ich setzte die Medikamente ab und kaufte Homöopathie. Er fraß
wieder und machte auch seine Geschäfte. Ich kaufte ihm nur, was er besonders
mochte. Wenn er seinen Teller leer machte, war ich glücklich und schöpfte
wieder Hoffnung. Von Mitte März an wurde dann ganz schlimm. Wenn man in
seine Nähe kam, stand ihm die nackte Angst in den Augen. Er schrie, als
würde ich ihn prügeln. Auch gegen diese Angstzustände kaufte
ich Homöopathie. Ich wollte den Kampf gewinnen. Ich gewann ihn nicht. Er
ließ sich auch von mir nicht mehr anfassen. Biss nur noch in Panik um
sich. Ich wollte sein herrliches Haar, was noch immer glänzte wie Seide,
nicht abschneiden und versuchte, ihn zu pflegen wie immer.
Es artete für uns beide in Quälerei aus. Nachdem ich sechs Wochen
die Medikamente gegen Angstzustände gegeben hatte, wollte ich das dem Hund
nicht mehr zumuten. Nachdem wir ihm zu Hause schon Beruhigungsmittel gegeben
hatten, sind wir den für uns schwersten Gang gegangen. Aber wir waren es
dem Hund schuldig. Vergessen werden wir ihn nie. In seinen schönen Kindern
lebt er auch bei uns weiter.
Autorin: Ingrid Erftmann
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